Wege gehen - Ziele erreichen

Wege gehen - Ziele erreichen
Das Notebook vor Augen

Sunday, June 08, 2008

Es tut mir leid, dass ich nicht die Leichtigkeit ausstrahle, die du suchst. Gestern war ich das erste Mal mit Enrico im Blaster. Enrico war am Telefon, als du im Studio angerufen hast. Im Blaster fühle ich mich geborgen, auch wenn "draußen" alles drunter und drüber zu gehen scheint. Ich treffe dort auf meine eigenen Gedanken, auf Vertrautes. In der Sendung hat mir der Blaster gefehlt. Vielleicht wäre es ganz gut gewesen, mit Harald dort mal kurz einzuchecken, statt Wort für Wort vorab auszuformulieren. Auf den Studiofotos sehe ich jedenfalls verzweifelt aus, wie Extremstress. Immerhin ist es ein Ausbildungs- und Erprobungskanal. Da schon Extremstress zu erleben ist schlimm. Das ist wie das Lampenfieber am Phantom. Andree sagt, ich hätte zu wenig Selbstvertrauen. Andree ist der Chefredakteur. Es ist so, dass ich mir jahrelang vorgestellt hatte, dass der im Radio mich sehen kann. Und jetzt bricht der Wahn allmählich zusammen. Und das kostet viel Energie. Im OP hatte ich das Gefühl nie. Da hab ich mich immer wie im letzten Gulliloch gefühlt, sobald mein Altvorderer außer Sichtweite war. Aber damals hatte ich die Leichtigkeit, von der du sprichst, schon verloren. Am desillusionierendsten war der Wechsel von der Schulbank zur Intensivtherapiestation: Ich die erste Woche da und die Schwestern beim Kaffee mit der Option WennWasIst,MeldeDich. Das war irre: Ich konnte noch keins der Signale zuordnen. Das war eine Einsamkeit, die durch nichts zu toppen war. Bis dahin war "das Leben" nur Spiel gewesen. Mir war alles zugefallen. Ich war überall Primus gewesen. Aber damit, einzuordnen, wie gefährdet mein Gegenüber ist, war ich total überfordert. Kurz drauf habe ich mit 18 das erste Mal den Tod erlebt, ohne ihn zu erkennen. Mir war gruslig, warum sich alle so sicher waren, dass der da nicht mehr lebte. Ich begann allen zu misstrauen. Hab mich dann auf Überwachungsparameter konzentriert, die noninvasiv Rückschlüsse auf Trends zuließen, als ich auf dieser Station meine Diplomarbeit schrieb. Kurz nachdem sie fertig war, wurde ich Mutter. Und mit der Geburt habe ich noch mehr an der Struktur im Krankenhaus gezweifelt. Die akustische Vernetzung war zu der Zeit dort minimal. Die meisten Signalgeber waren optisch. Bei räumlicher Trennung ist das riskant. Da wird manches Signal schnell übersehen. Wenn es irgendwas gab, was ich in dieser Zeit nie gespürt habe, dann war das Seele, dieses morphogenetische Vernetztsein. Das gipfelte in eine vollkommene Ahnungslosigkeit beim Standby, sobald der Gesprächsfaden abriss. Daher der Hypnosekurs, um wenigstens eine gewisse Ahnung von Nähe zu bekommen und immer wieder dieses Abgleiten in die eigene Leere. Glück ist etwas anderes, als dieses Beiwohnen in Intensivtherapie und Anästhesie. Natürlich hat es etwas Galaktisches, zu sehen, wie sich scheinbar Fragiles neben dir stabilisiert. Bleibt bloß jedes Mal die Frage, ob du die Fragilität nicht selbst provoziert hast, sobald du dich im Suggestiven bewegst und nicht nur ausgehend von Scores deine Algorithmen abarbeitest. Algorithmen, die natürlich Halt geben, aber selten Biografie, sondern meist nur Blitzlicht meinen. Nur ... Fakt ist, dass bei zunehmender Datendichte Trendaussagen je nach Perspektive wechseln. Schon bei einem einzelnen knappen Satz wirst du selten zwei ähnliche Reflexionen erleben. Und da trotzdem Vertrauen aufzubauen, ist fast unmöglich. Harald Helbig schien in den paar Studiominuten sein ganzes Leben durch den Kopf zu gehen. Jedenfalls hat er nach der Sendung das erste Mal davon gesprochen, dass er Jagdflieger war. Mein Vater war das auch. Klar verliert man da an Leichtigkeit. Immerhin hat er sich freigeschrieben. Und er hat ins Mikro gesprochen.

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